Stechapfel (Datura stramonuim): Unterschied zwischen den Versionen
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Zauberkraut, Hexenkraut, Liebeszwinger, Tollkörner, Rauchapfel, Tollapfel, Zwickapfel, Teufelsapfel, Dornapfel | Zauberkraut, Hexenkraut, Liebeszwinger, Tollkörner, Rauchapfel, Tollapfel, Zwickapfel, Teufelsapfel, Dornapfel | ||
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* Berliner Pflanzen S.97, Heiderose Häsler, Iduna Wünschmann (2009) | * Berliner Pflanzen S.97, Heiderose Häsler, Iduna Wünschmann (2009) | ||
* Die Kräuter in meinem Garten, Siegrid Hirsch, Felix Grünberger (2008) | * Die Kräuter in meinem Garten, Siegrid Hirsch, Felix Grünberger (2008) | ||
* Die Weltgeschichte der Pflanzen S.356, Wolfgang Seidel (2012) | |||
* Duftpflanzen S.27, Bernd Dittrich (1988) | * Duftpflanzen S.27, Bernd Dittrich (1988) | ||
* Enzyklopädie Essbare Wildpflanzen S.604, S.G.Fleischhauer, J.Guthmann, R.Spiegelberger (2013) | * Enzyklopädie Essbare Wildpflanzen S.604, S.G.Fleischhauer, J.Guthmann, R.Spiegelberger (2013) | ||
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* Großes Kräuter- und Gewürzbuch S.250, Heinz Görz (1987) | * Großes Kräuter- und Gewürzbuch S.250, Heinz Görz (1987) | ||
* Hagebutte & Co. S.116, Angelika Lüttig, Juliane Kasten (2003) | * Hagebutte & Co. S.116, Angelika Lüttig, Juliane Kasten (2003) | ||
* Heilsam bis Tödlich S.110, Jan Grossarth (2022) | |||
* Hexenkraut und Zaubertrank S. 114, Hartwig Abraham, Inge Thinnes (1997) | * Hexenkraut und Zaubertrank S. 114, Hartwig Abraham, Inge Thinnes (1997) | ||
* Illustriertes Heil-, Gift- und Nutzpflanzenbuch S.190, Adelbert von Chamisso (1827) | * Illustriertes Heil-, Gift- und Nutzpflanzenbuch S.190, Adelbert von Chamisso (1827) | ||
* Kölbls Kräuterfibel S.290, Konrad Kölbl (1993) | * Kölbls Kräuterfibel S.290, Konrad Kölbl (1993) | ||
* Neophyten S.429, Norbert Griebl (2020) | |||
* Schön aber gefährlich S.83, Helga Urban, Marion Nickig (2009) | * Schön aber gefährlich S.83, Helga Urban, Marion Nickig (2009) | ||
* Tod und Flora S.131, Helmut Eisendle (2009) | * Tod und Flora S.131, Helmut Eisendle (2009) | ||
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Die weiße Blüte, die sich abends öffnet und während der Nacht ihren süßen Duft verbreitet, muss die europäischen Eroberer in Südamerika schon bald so sehr beeindruckt haben, dass sie bereits im 16. Jahrhundert Samen mit in die Alte Welt nahmen. Von Spanien aus eroberte der Stechapfel dann Mitteleuropa. Immer wieder wurden auch unbeabsichtigt Samen durch den Transport von Waren eingeschleppt. Die anpassungsfähige Pflanze folgte dem Menschen bald überall hin und auch wenn sie selbst nicht frosthart ist, überdauern doch ihre Samen den Winter, um im späten Frühjahr eine neue Generation zu begründen. Seit dem 17. Jahrhundert gilt die Pflanze als eingebürgert. Anfangs wurde sie wegen ihres Zierwertes gepflanzt, in den 1760er Jahren dann auch als Heilpflanze. In indianischen Kulturen wurde Datura als Heilmittel bei Asthma, Ruhr, Tetanus und Typhus eingesetzt. In Europa waren eine Zeitlang Asthma-Zigaretten verbreitet, die bei Bronchial-Asthma krampflösend wirken. Die Nebenwirkungen (besonders bei häufigem Gebrauch) waren aber so gravierend, dass von dieser Art der Therapie wieder abgesehen wurde. | Die weiße Blüte, die sich abends öffnet und während der Nacht ihren süßen Duft verbreitet, muss die europäischen Eroberer in Südamerika schon bald so sehr beeindruckt haben, dass sie bereits im 16. Jahrhundert Samen mit in die Alte Welt nahmen. Von Spanien aus eroberte der Stechapfel dann Mitteleuropa. Immer wieder wurden auch unbeabsichtigt Samen durch den Transport von Waren eingeschleppt. Die anpassungsfähige Pflanze folgte dem Menschen bald überall hin und auch wenn sie selbst nicht frosthart ist, überdauern doch ihre Samen den Winter, um im späten Frühjahr eine neue Generation zu begründen. Seit dem 17. Jahrhundert gilt die Pflanze als eingebürgert. Anfangs wurde sie wegen ihres Zierwertes gepflanzt, in den 1760er Jahren dann auch als Heilpflanze. In indianischen Kulturen wurde Datura als Heilmittel bei Asthma, Ruhr, Tetanus und Typhus eingesetzt. In Europa waren eine Zeitlang Asthma-Zigaretten verbreitet, die bei Bronchial-Asthma krampflösend wirken. Die Nebenwirkungen (besonders bei häufigem Gebrauch) waren aber so gravierend, dass von dieser Art der Therapie wieder abgesehen wurde. | ||
Im Garten zeigen sich an geschützten Stellen schon im März die ersten Sämlinge, meist erscheinen sie aber später im Jahr. Die Pflanzen wachsen sehr schnell und wenn sie genügend Nährstoffe finden gelangen sie zu beeindruckender Größe. Die hohlen Stängel verzweigen sich in eigenartiger Weise, bilden aber am Ende eine fast halbkugelige Figur. Die grob dreieckigen Blätter sind leicht gewellt, sie verströmen einen sehr typischen unangenehmen Geruch. In den Blattachseln entwickeln sich die Blütenknospen, schwellen über mehrere Tage immer weiter an, bis sie sich eines | Im Garten zeigen sich an geschützten Stellen schon im März die ersten Sämlinge, meist erscheinen sie aber später im Jahr. Die Pflanzen wachsen sehr schnell und wenn sie genügend Nährstoffe finden gelangen sie zu beeindruckender Größe. Die hohlen Stängel verzweigen sich in eigenartiger Weise, bilden aber am Ende eine fast halbkugelige Figur. Die grob dreieckigen Blätter sind leicht gewellt, sie verströmen einen sehr typischen unangenehmen Geruch. In den Blattachseln entwickeln sich die Blütenknospen, schwellen über mehrere Tage immer weiter an, bis sie sich eines Abends mit einer drehenden Bewegung öffnen. Der süße Duft der Blüten passt nicht recht zum Geruch der übrigen Pflanze, die beim schnuppern am Besten nicht berührt wird. Das leuchtende Weiß und der Duft locken Nachtfalter an, deren Saugrüssel lang genug sind, um den tief im Blütenschlund verborgenen Nektar zu erreichen. Obwohl die Blüte fünfzählig ist, bildet der Fruchtknoten nur vier Fächer aus, in denen die Samen reifen. Aus diesem Fruchtknoten wird der bekannte »Stechapfel«, der bis zur Größe eines Hühnereis anschwillt und mit seiner wehrhaften Bestachelung ein bisschen martialisch wirkt. Während des Wachstums sind die Stacheln noch weich, wenn die Frucht reift, härten sie aus und geben deutlich zu erkennen, dass sie nicht angefasst werden wollen. Da die Samenfächer von oben nach unten aufreißen, werden nie alle Samen gleichzeitig verstreut, ein Teil fällt sogar erst im Frühjahr heraus. Ein Blick in die geöffnete Kapsel macht deutlich, warum die Pflanze sich so kräftig ausbreitet, die Anzahl der Samen geht in die Hunderte. Die kleinen schwarzen Körner sind erstaunlich hitzeresistent, sie überstehen eine Stunde im Backofen bei 220°, ohne ihre Keimfähigkeit einzubüßen. | ||
Aktuelle Version vom 5. Oktober 2024, 12:27 Uhr
Weitere Namen
Zauberkraut, Hexenkraut, Liebeszwinger, Tollkörner, Rauchapfel, Tollapfel, Zwickapfel, Teufelsapfel, Dornapfel
Botanischer Name
»Datura« Herkunft unklar, möglicherweise (1) vom arabischen tatorah - Röhrchen, wegen der röhrigen Blütenform oder (2) vom indischen Dhatureas - eine Gruppe von Räubern, die ihre Opfer mit dem Gift »dhat« umbrachten, »stramonium« - Gift, das rasend macht, Erstbeschreibung durch Carl von Linné (1707-1778) schwedischer Naturforscher
Englischer Name
Thorn Apple
Familie
Nachtschattengewächse, Solanaceae
Verbreitung
Asien , Nordamerika, in Europa eingeführt im 16. Jahrhundert
Wuchs
einjährig, gabelartig verzweigt bis 1m hoch, die Stängel sind hohl und sehr stabil, große leicht gewellte Blätter buchtig gezähnt, unangenehm riechend
Standort
sonnig, normaler Gartenboden
Blütezeit
Juni, Juli, August, September
Blüte
große, reinweiße fünfzipfelige Trichterblüte, aus den Blattachseln wachsend, nachtduftend, die Knospen öffnen sich zwischen 19:00 und 20:00
Fruchtreife
August, September, Oktober
Frucht
bis 8cm langer sehr stacheliger grüner "Apfel" (vierfächerige Kapsel) mit nach hinten gestelltem "Volant", bei Reife hellbraun, aufklaffend, Samen dunkelbraun, warzig, in großer Zahl ausfallend, vom "Apfel" bleibt nach Witterungseinfluss ein filigranes dekoratives Skelett übrig
Vermehrung
durch Aussaat im Frühjahr oder Herbst, häufig Selbstaussaat, lässt sich nicht gern verpflanzen
Frosthärte
Pflanze erfriert beim ersten Frost, Samen frosthart
Tierische Besucher
Bestäubung durch Nachtfalter mit langem Rüssel, indirekt durch umher wandernde Käfer, die eine Selbstbestäubung auslösen
Pflege
keine Pflege nötig
Verwendbare Teile
Blätter im Sommer, Samen im Herbst, krampflösend, hustenstillend, schmerzstillend, beruhigend, halluzinogen, keine Selbstmedikation da sehr giftig (bereits in geringer Dosis tödlich)
Inhaltsstoffe
Scopolamin, Scopoletin, Atropin, Hyoscyamin, Nicotin, Rutosid, ätherische Öle, Gerbstoffe, Fruchtsäuren,
Status
im Sommer anwesend
Literatur
- Berliner Pflanzen S.97, Heiderose Häsler, Iduna Wünschmann (2009)
- Die Kräuter in meinem Garten, Siegrid Hirsch, Felix Grünberger (2008)
- Die Weltgeschichte der Pflanzen S.356, Wolfgang Seidel (2012)
- Duftpflanzen S.27, Bernd Dittrich (1988)
- Enzyklopädie Essbare Wildpflanzen S.604, S.G.Fleischhauer, J.Guthmann, R.Spiegelberger (2013)
- Giftpflanzen Pflanzengifte S.291, Roth, Daunderer, Kormann (1994)
- Großes Kräuter- und Gewürzbuch S.250, Heinz Görz (1987)
- Hagebutte & Co. S.116, Angelika Lüttig, Juliane Kasten (2003)
- Heilsam bis Tödlich S.110, Jan Grossarth (2022)
- Hexenkraut und Zaubertrank S. 114, Hartwig Abraham, Inge Thinnes (1997)
- Illustriertes Heil-, Gift- und Nutzpflanzenbuch S.190, Adelbert von Chamisso (1827)
- Kölbls Kräuterfibel S.290, Konrad Kölbl (1993)
- Neophyten S.429, Norbert Griebl (2020)
- Schön aber gefährlich S.83, Helga Urban, Marion Nickig (2009)
- Tod und Flora S.131, Helmut Eisendle (2009)
- Weeds S.23, Richard Mabey (2010)
- Wildpflanzen für jeden Garten S.114, Reinhard Witt (1994)
- Zauberpflanzen, Hexenkräuter S.213, Gertrud Scherf (2002)
Geschichte und Geschichten
Die weiße Blüte, die sich abends öffnet und während der Nacht ihren süßen Duft verbreitet, muss die europäischen Eroberer in Südamerika schon bald so sehr beeindruckt haben, dass sie bereits im 16. Jahrhundert Samen mit in die Alte Welt nahmen. Von Spanien aus eroberte der Stechapfel dann Mitteleuropa. Immer wieder wurden auch unbeabsichtigt Samen durch den Transport von Waren eingeschleppt. Die anpassungsfähige Pflanze folgte dem Menschen bald überall hin und auch wenn sie selbst nicht frosthart ist, überdauern doch ihre Samen den Winter, um im späten Frühjahr eine neue Generation zu begründen. Seit dem 17. Jahrhundert gilt die Pflanze als eingebürgert. Anfangs wurde sie wegen ihres Zierwertes gepflanzt, in den 1760er Jahren dann auch als Heilpflanze. In indianischen Kulturen wurde Datura als Heilmittel bei Asthma, Ruhr, Tetanus und Typhus eingesetzt. In Europa waren eine Zeitlang Asthma-Zigaretten verbreitet, die bei Bronchial-Asthma krampflösend wirken. Die Nebenwirkungen (besonders bei häufigem Gebrauch) waren aber so gravierend, dass von dieser Art der Therapie wieder abgesehen wurde.
Im Garten zeigen sich an geschützten Stellen schon im März die ersten Sämlinge, meist erscheinen sie aber später im Jahr. Die Pflanzen wachsen sehr schnell und wenn sie genügend Nährstoffe finden gelangen sie zu beeindruckender Größe. Die hohlen Stängel verzweigen sich in eigenartiger Weise, bilden aber am Ende eine fast halbkugelige Figur. Die grob dreieckigen Blätter sind leicht gewellt, sie verströmen einen sehr typischen unangenehmen Geruch. In den Blattachseln entwickeln sich die Blütenknospen, schwellen über mehrere Tage immer weiter an, bis sie sich eines Abends mit einer drehenden Bewegung öffnen. Der süße Duft der Blüten passt nicht recht zum Geruch der übrigen Pflanze, die beim schnuppern am Besten nicht berührt wird. Das leuchtende Weiß und der Duft locken Nachtfalter an, deren Saugrüssel lang genug sind, um den tief im Blütenschlund verborgenen Nektar zu erreichen. Obwohl die Blüte fünfzählig ist, bildet der Fruchtknoten nur vier Fächer aus, in denen die Samen reifen. Aus diesem Fruchtknoten wird der bekannte »Stechapfel«, der bis zur Größe eines Hühnereis anschwillt und mit seiner wehrhaften Bestachelung ein bisschen martialisch wirkt. Während des Wachstums sind die Stacheln noch weich, wenn die Frucht reift, härten sie aus und geben deutlich zu erkennen, dass sie nicht angefasst werden wollen. Da die Samenfächer von oben nach unten aufreißen, werden nie alle Samen gleichzeitig verstreut, ein Teil fällt sogar erst im Frühjahr heraus. Ein Blick in die geöffnete Kapsel macht deutlich, warum die Pflanze sich so kräftig ausbreitet, die Anzahl der Samen geht in die Hunderte. Die kleinen schwarzen Körner sind erstaunlich hitzeresistent, sie überstehen eine Stunde im Backofen bei 220°, ohne ihre Keimfähigkeit einzubüßen.