Süßdolde (Myrrhis odorata)
Weitere Namen
Myrrhenkerbel, Aniskerbel
Botanischer Name
"odorata" duftend
Englischer Name
Sweet Cicely
Familie
Doldenblütler / Apiaceae
Verbreitung
Ursprünglich heimisch in einigen europäischen Hochgebirgen zwischen Pyrenäen und Balkan,ausschließlich auf kalkhaltigen Böden.
Wuchs
Krautige Staude, im Winter einziehend, Blätter bis 50cm, Blütenstand bis 1,2m hoch. Bildet im Laufe der Jahre einen sehr umfangreichen rübenartig verknoteten Wurzelstock.
Standort
Bevorzugt halbschattige Standorte(Waldpflanze), kommt aber auch mit sonnigen, trockenen Lagen zu Recht.
Blütezeit
(April), Mai,(Juni)
Blüte
Etwas unregelmäßige Dolden mit kleinen weißen Blüten, nur die Hauptdolde eines Triebes trägt weibliche Blüten und entwickelt Samen
Fruchtreife
(Juni),Juli
Frucht
Sichelförmige Spaltfrucht, unreife Frucht hellgrün, weich, bis 2,5cm lang, aufrecht in der Dolde stehend, intensiv nach süßem Lakritz duftend und schmeckend. Reife Frucht braunschwarz, glänzend, hart,im Spätherbst abfallend.
Vermehrung
Aussaat im Herbst, Samen nicht mit Erde bedecken, Keimung im Frühjahr (Kaltkeimer) Teilung älterer Pflanzen möglich.
Frosthärte
Nach Einzug der oberirdischen Teile ist der Wurzelstock sehr frosthart.
Pflege
Kaum Pflege notwendig
Verwendbare Teile
Wurzel kann (ähnlich Möhre) als Gemüse verwendet werden, Blätter würzen Salat oder Tee, Blüten aromatisieren Tee oder Essig, unreife Samen am Besten direkt von der Pflanze naschen, als Zutat zu (Obst-)Salat, auf Obstkuchen,in Essig, reife Samen in Doppelkorn eingelegt als Anisschnaps.
Inhaltsstoffe
Flavonoide, ätherische Öle ( Anethol), Limonen, Myrcen, Estragol, Vitamine, Mineralstoffe, ca 12% fettes Öl in den Samen
Literatur
- Die Kräuter in meinem Garten S.547, Siegrid Hirsch, Felix Grünberger (2008)
- Essbare Wildbeeren und Wildpflanzen S.44, Detlev Henschel (2002)
- Kräuter S.149, Burkhard Bohne (2010)
- Köstliche Blüten S.54, Marion Nickig, Heide Rau
- Köstliches aus dem Garten S. 180, Marion Nickig, Heide Rau (2005)
- Leckere Rezepte aus dem Kräutergarten Marion Nickig, Heide Rau
- Von fast vergessenen Gemüsen, Kräutern und Beeren S.21, Marianna Buser, Antonia Koch (2002)
- Wo der Pfeffer wächst S.251, Hansjörg Küster (1987)
Geschichte und Geschichten
Wie die Pfoten kleiner pelziger Monster schieben sich im Frühjahr, häufig schon im März, die weichen Triebe der Süßdolde aus der Erde. Der Pelz der Anfangstage geht beim Entfalten der Blätter verloren, samtig weich bleiben sie aber den ganzen Sommer hindurch. Das farnartige mehrfach gefiederte Laub wird nicht allzu hoch, breitet sich locker nach allen Seiten aus. Die helle unregelmäßige Zeichnung ist ein deutliches Kennzeichen dieses ausdauernden Doldenblütlers und macht ihn in schattigen Gartenbereichen zu einem fröhlichen Lichtblick. Von April bis Mai schiebt die Süßdolde ihre steifen Blütenstände bis in etwa 70 Zentimeter Höhe, unter günstigen Bedingungen auch noch deutlich höher. Der Stängel verzweigt sich und bildet mehrere unregelmäßige Dolden. Die weißen Blüten sind klein, wirken aber durch ihre große Anzahl. Nur die Hauptdolde trägt männliche und weibliche Blüten und bildet Samen aus, was schon geschieht während die Nebendolden noch blühen. Steif aufrecht stehen die zunächst grünen gefurchten Früchte auf den Stängeln. Sie sind bis zu 3cm lang und in diesem Stadium eine leckere Nascherei, schmecken intensiv nach süßem Lakritz. Ein bisschen Anis, ein bisschen Fenchel und eine ganz zarte Schärfe sind die Hauptkomponenten dieser überraschend intensiv aromatischen Pflanze. Anis und Fenchel gehören wie die Süßdolde zu den Doldenblütlern, was die geschmackliche Nähe erklärt. Süßdoldenfrüchte geben Obstsalaten eine besondere Note, durch ihre Süße lässt sich die zugesetzte Zuckermenge reduzieren. Sie zieren mit ihrem saftigen Grün jeden Erdbeerkuchen sind aber auch in herzhaften Curry-Gerichten eine Bereicherung. Nach einigen Wochen trocknen die Früchte ein, werden schwarz und hart. Wegen der strohigen Fasern können sie jetzt nicht mehr von der Pflanze weg geknabbert werden, sie lassen sich aber vermahlen und geben ein interessantes Gewürz. Oder sie werden als Ganzes in Doppelkorn eingelegt, je nach Vorliebe mit mehr oder weniger Zucker, was nach etwa sechs Wochen einen ganz passablen Anis-Schnaps ergibt. Zusammen mit anderen Kräutern wird die Süßdolde in Magenbittern eingesetzt. Etwas zarter im Geschmack sind die Blätter die sich gut in einem gemischten Salat machen und bis in den Spätherbst geerntet werden können. Kürzere Tage und sinkende Temperaturen signalisieren der Pflanze, dass es Zeit wird, die Nährstoffe aus den Blättern in den Wurzeln einzulagern. Jungpflanzen haben eine gerade Pfahlwurzel, die sich mit den Jahren in sich verdreht und zu einem klumpigen, recht umfangreichen Wurzelstock wird. Darin speichert die Süßdolde Nährstoffe und Wasser, die ihr ermöglichen, sich gegen den Wurzeldruck größerer Gehölze problemlos durchzusetzen, was ihr zarter Wuchs zunächst gar nicht vermuten lässt. Auch Schatten und trockener Boden können den Myrrhenkerbel nicht vom Wachsen abhalten, was ihn zu einem Kandidaten für schwierige Standorte macht. Bleiben die ausgereiften Samen an der Pflanze, so fallen sie irgendwann im Spätherbst aus. Zum Keimen brauchen sie die Kälte des Winters, im Frühjahr finden sich die Sämlinge rings um die Mutterpflanze. Sollten tatsächlich irgendwann zu viele Süßdolden im Garten wachsen, so können die Wurzeln ausgegraben und als Gemüse verarbeitet werden. Wenige Pflanzen sind so vielseitig verwendbar und gleichzeitig so pflegeleicht wie die Süßdolde, die leider viel zu selten im Garten anzutreffen ist.
Ursprünglich beheimatet war die Süßdolde im Hochgebirge zwischen Pyrenäen und Balkan. Dort wuchs sie auf kalkhaltigen Böden in lichten Wäldern. Wegen des intensiven Aromas nahm der Mensch die Pflanze in seine Obhut und verbreitete sie in ganz Europa. Mönche hegten sie in mittelalterlichen Klostergärten, nutzten ihre Heilwirkung bei Magenschwäche und Husten. Sie wurde als Blutreinigungsmittel empfohlen, aus den Früchten, die etwa 12% fettes öl enthalten, wurde aber auch ein Mittel zum Polieren von Möbeln hergestellt. Aus den Klostergärten kam die Süßdolde in die Bauerngärten, was sie nicht zuletzt ihrer Unkompliziertheit zu verdanken hatte. Aus den Gärten verwilderte sie immer wieder und gelangte schließlich bis in die nördlichen Tiefebenen. Mittlerweile hat sie sich auch außerhalb Europas etabliert und ist sogar in Chile heimisch.