Gänseblümchen (Bellis perennis)
Weitere Namen
Augenblume, Gänseliese, Maßliebchen, Tausendschön, Maiblume
Botanischer Name
»Bellis« lat. bellus - schön, »perennis« lat. per - durch und annus - Jahr, ausdauernd, Erstbeschreibung 1753 durch Carl von Linné (1707-1778) schwedischer Naturforscher
Englischer Name
Daisy
Familie
Korbblütler, Asteraceae
Verbreitung
Europa, Asien, Amerika
Wuchs
flache kleine Rosette mit kompaktem Wurzelwerk aus vielen dünnen, eher flach verlaufenden Haarwurzeln, spatelförmige, mit kurzen borstigen Haaren besetzte Blätter, immergrün, fast ganzjährig blühend, mit Blüte etwa 15cm hoch, die Rosetten vergrößern sich über Wurzelausläufer, die Verbindungen zur Mutterpflanze sterben relativ schnell ab, so dass sich ein Bestand aus vielen Einzelpflanzen bildet
Standort
sonnige kurzgehaltene Wiesen, nahrhafter Boden
Blütezeit
fast ganzjährig, Hauptblüte im Frühsommer
Blüte
bis 2cm durchmessende Blüte mit 75 bis 125 gelben Röhrenblüten und weißen Zungenblüten, deren Spitzen rosa überlaufen sein können, gelegentlich treten gefüllte Formen auf, aus denen die Zierpflanze entstanden ist
Fruchtreife
fast ganzjährig
Frucht
kleine Achäne ohne Pappus
Vermehrung
durch Selbstaussaat, nach der Blüte verlängert sich der Stängel, so dass die Samen dem Wind eine bessere Angriffsfläche bieten, Samen werden durch Regen und Wind, aber auch durch Tiere verbreitet, Rosetten breiten sich durch Ausläufer aus
Frosthärte
grün überwinternd, nur bei längeren Frostperioden ohne Blüten
Tierische Besucher
Bestäubung hauptsächlich durch Bienen, was im Rasen zu Problemen beim barfuß laufen führen kann...
Pflege
wächst nur auf kurz gehaltenen Wiesen
Verwendbare Teile
frische Blätter und Blüten für Salat oder Kräuterbutter, Blütenköpfe als Tee, blutreinigend, schleimlösend, wassertreibend, Blütenknospen als Kapernersatz
Inhaltsstoffe
Saponine, ätherische Öle, Gerbstoffe, Flavonoide, Anthoxanthin, Schleimstoffe, organische Säuren, Mineralien
Status
anwesend...
Literatur
- A Contemplation upon Flowers S.121, Bobby J. Ward (1999)
- Alte Gemüsesorten S. 69, Elke Achtner-Theiss, Sabine Kumm (2015)
- Berliner Pflanzen S.108, Heiderose Häsler, Iduna Wünschmann (2009)
- Blattrosetten S.53, Raimund Fischer (1997)
- Delikatessen aus Unkräutern S.47, Graupe, Koller
- Die Kräuter in meinem Garten S.193, Siegrid Hirsch, Felix Grünberger (2008)
- Die Wildbienen Deutschlands S.328, Paul Westrich (2018)
- Enzyklopädie Essbare Wildpflanzen S.319, S.G.Fleischhauer, J.Guthmann, R.Spiegelberger (2013)
- Essbare Wildbeeren und Wildpflanzen S.66, Detlev Henschel (2002)
- Feld- Wald- und Wiesenkochbuch S.34, Eve Marie Helm (1978)
- Flora S.169, Hansjörg Küster (2022)
- Großes Kräuter- und Gewürzbuch S.116, Heinz Görz (1987)
- Hagebutte & Co. S.254, Angelika Lüttig, Juliane Kasten (2003)
- Heilkräuter und Zauberpflanzen... S.135, Wolf-Dieter Storl (1996)
- Illustriertes Heil-, Gift- und Nutzpflanzenbuch S.237, Adelbert von Chamisso (1827)
- Jahreskalender für den Heilpflanzenliebhaber S.22, Enst-Albert Meyer (1989)
- Kölbls Kräuterfibel S.117, Konrad Kölbl (1993)
- Köstliche Blüten S.17, Heide Rau, Marion Nickig (1994)
- Kräuter S.112, Burkhard Bohne (2010)
- New Kreüterbuch Cap.LIII, Leonhart Fuchs (1543)
- Pflanzenwurzeln S.118, M.Sobotik, R.K.Eberwein, G.Bodner, R.Stangl, W.Loiskandl (2020)
- Sechzig einheimische Wildpflanzen... S.14, Detlev Arens (1991)
- Symbolik der Pflanzen S.105, MArianne Beuchert (1996)
- The Book of Weeds S.162, Ken Thompson (2009)
- The curious Gardener's Almanac S.114, Niall Edworthy (2006)
- Weeds S.192, Richard Mabey (2010)
- Wildblumen im Hausgarten S.162, John Stevens (1987)
- Wilde Ernte S.132, Elsje Bruijnesteijn (2023)
- Wildkräuter sehen und erkennen S.87, Roger Phillips (1990)
- Wildpflanzen auf unserem Tisch S.12, Dagmar Lánská (1990)
- Wo der Pfeffer wächst S.75, Hansjörg Küster (1987)
- Zauberpflanzen Hexenkräuter S.176, Gertrud Scherf (2002)
- kraut&rüben 2/2000, 3/2007 S.39, 1/2021 S.54
Geschichte und Geschichten
Am Gänseblümchen (Bellis perennis) scheiden sich die Geister. Für die einen ist es das Blümchen an sich, für die anderen das böse Rasenunkraut schlechthin. Letztere sollten sich darüber im Klaren sein, dass erst der Rasen dem Gänseblümchen seine rasante Ausbreitung ermöglicht hat. Die niedrig wachsende Pflanze ist auf offene Flächen angewiesen, wie sie natürlich nur in höheren Gebirgslagen vorkommen oder auf intensiv beweideten Flächen. Solange im Flachland die Wiesen nur ein bis zwei Mal im Jahr gemäht wurden, hatte das Maßliebchen nur kurz nach der Mahd eine Chance, und zu Zeiten in denen der größte Teil der Vegetation ruht, also im Winter. Solange keine strengen Fröste herrschen, blüht die Pflanze fast rund ums Jahr. Spätestens im März öffnen sich die ersten Knospen, die letzten im November. Seinen botanischen Namen Bellis perennis verdankt das Gänseblümchen Carl Linnaeus, dem großen schwedischen Botaniker, der die Systematik des Pflanzenreiches einführte. "Bellis" kommt von bellus und bedeutet "schön", "perennis" von "per" (durch) und "annus" (Jahr), ein Begriff, der vielen ausdauernden Pflanzen beigegeben wird. Die Blüte setzt sich aus 75 bis 125 gelben Röhrenblüten zusammen, die dicht an dicht auf dem kleinen Körbchen versammelt und von einem Kranz weißer Zungenblüten umrahmt sind, deren Spitzen bei manchen Exemplaren rot überhaucht sind. Das Gänseblümchen richtet seine Blüte nach dem Stand der Sonne aus. Nachts und bei schlechtem Wetter bleiben die Blüten geschlossen. Nach erfolgreicher Bestäubung durch Bienen und andere Insekten entstehen zahlreiche winzige Nüsschen, Achänen genannt. Während die reifen, verlängert sich der Stängel und hebt die reifen Früchte höher über den Boden. So erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass Wind und Regen sie weiter weg tragen. Aber auch Regenwürmer, Weidetiere und nicht zuletzt der Mensch haben ihren Anteil an der Ausbreitung. Neben der Versamung breitet sich das Gänseblümchen auch durch Ausläufer aus, die aus einer einzelnen Rosette im Rasen ganze Nester entstehen lassen. Noch im Mittelalter war das Gänseblümchen eher selten. Der Rasen als Gestaltungselement von Gärten war noch unbekannt, gab es doch gar keine Möglichkeit eine größere Grasfläche kurz zu halten. Erst in der Neuzeit kam mit den französischen und englischen Gärten das kurz gehaltene Gras in Mode. In Blenheim Palace in England etwa waren 50 Arbeiter damit beschäftigt, den Rasen mit Sensen zu mähen, eine unglaubliche Aufgabe, sollte das Resultat doch eine ebene Fläche darstellen. Im Jahre 1830 entwickelte der englische Ingenieur Edwin Beard Budding den ersten Rasenmäher. das revolutionierte die gartengestalterischen Möglichkeiten und machte den Weg frei für das kleine, ständig überwucherte Gänseblümchen.
Im 17. Jahrhundert, dem Zeitalter der großen Entdeckungsreisen durch die ganze Welt, fand sich in nordchinesischen Tempel- und Palastgärten eine streng gehütete Mutation des einfachen Gänseblümchens. Diese besaß kaum noch Röhrenblüten, dafür aber unzählige rote Zungenblüten. Der Entdecker, Pater d'Incaville, schickte einige Samen nach Paris, wo die Pflanze mit den gefüllten Blütenköpfen eine Sensation darstellte. Das Tausendschönchen wurde zur Modepflanze in den Gärten der gehobenen Gesellschaft. Auch heute findet sich die gefüllte Variante in verschiedenen Zuchtformen in vielen Frühlingsrabatten, den Status des Besonderen hat sie allerdings verloren.
Um die Herkunft der Blume ranken sich verschiedene Legenden, so soll sie aus den Tränen der Jungfrau Maria entstanden sein, die diese auf der Flucht nach Ägypten vergoss, die rötlichen Spitzen der Blütenblätter entstanden durch Blutspritzer, als das Jesuskind sich an einem Dorn geritzt hatte. Daran könnten aber auch Engel beteiligt sein, die des nachts auf der Erde wandeln und dem schlafenden Gänseblümchen einen Kuss aufdrücken, woraufhin das bescheidene Blümchen errötet. Als Marienpflanze erscheint das Gänseblümchen auf vielen mittelalterlichen Gemälden, so am berühmten Genter Altar und auch im Kölner Dom. Bei den alten Germanen war war das Gänseblümchen der Göttin Freya geweiht, galt als Symbol des Neubeginns im Frühjahr, wenn die Göttin in ihrem Wagen über die Wiesen fuhr und hinter ihr das Gras zu sprießen und die Blumen zu blühen begannen. Bereits in Königsgräbern in Ur aus dem dritten Jahrtausend vor Christus findet sich goldener Kopfschmuck mit Darstellungen von Gänseblümchen. Der französische König Ludwig IX (1240-1270) nahm das Gänseblümchen neben der Lilie in sein Wappen auf und verhalf ihm damit zu einiger Berühmtheit. Er ließ sich auch einen goldenen Ring fertigen, der einen Gänseblümchenkranz darstellte.
Eine Pflanze die fast das ganze Jahr blüht, muss über magische Kräfte verfügen. Wer drei Blüten mit dem Munde abbiss und sie unzerkaut verschluckte war gegen Fieber, Triefaugen und Zahnschmerzen gefeit, so hieß es. Waren das gar die ersten Blüten des Jahres, so würde der Entdecker das ganze Jahr keinen Durst verspüren und fremdes Wasser würde ihm nicht schaden. Letzteres war für Pilger wichtig, die auf ihren Reisen häufig Durst litten und ihn aus zweifelhaften Quellen stillten. Am Johannitag (24.6.) zwischen zwölf und dreizehn Uhr gepflückte Blüten die getrocknet immer bei sich getragen werden sollten, sorgten dafür, dass jede wichtige Arbeit gelang. Die getrocknete Wurzel um den Hals getragen sollte Glück und Verstand verleihen. Allgemein bekannt ist das Auszupfen der Blütenblätter als Liebesorakel, "Er liebt mich, er liebt mich nicht, er liebt mich...". Bei positivem Ergebnis lässt sich gleich noch die Zahl der zu erwartenden Kinder bestimmen, indem die verbliebenen gelben Röhrenblüten hochgeworfen und mit dem Handrücken aufgefangen werden.
Auch in der Naturheilkunde werden dem kleinen Blümchen große Kräfte zugeschrieben. Ein Tee aus frischen oder getrockneten Blüten wirkt stoffwechselanregend, leicht abführend und adstringierend, wird bei Haut- und Leberleiden, sowie zur Linderung von rheumatischen Beschwerden eingesetzt. Die schleimlösende Wirkung lässt sich zusammen mit anderen Kräutern wie Thymian und Spitzwegerich in Hustentees nutzen. Der frische Pflanzensaft unterstützt die Wundheilung.
Das Gänseblümchen ist bereits seit langer Zeit auch in der Küche verwendet worden. Im 16. Jahrhundert wurde die Pflanze in England als Suppen- und Salatkraut angebaut. Die jungen Blätter, die teilweise ja schon im Spätwinter zu finden sind lassen sich als Salatzutat verwenden, gemischt mit Sauerampfer und Brennnesseln ergeben sie ein vitaminreiches Frühlingsgemüse. Die den ganzen Sommer zu findenden Blüten bringen zusammen mit Borretschblüten, Ringelblume und Dahlien fröhliche Farbtupfer in die Salatschüssel. Hübsch sind auch in Eiswürfeln eingefrorene Blüten in sommerlichen Kaltgetränken. Aus den Knospen lassen sich Kapern herstellen, die geschmacklich den echten kaum nachstehen, die Ernte ist allerdings etwas mühsam. Auf dem Boden zu hocken und die kleinen Knospen in ausreichender Menge aus den Blättern zu sortieren ist eine geradezu meditative Beschäftigung.
Kulinarisches
Gänseblümchenkapern
- 100g Gänseblümchenknospen
- 100ml Essig (je nach Geschmack mild oder kräftig)
- 50ml Wasser oder Weißwein
- 1/2 Tl Salz
- Die Ernte der Gänseblümchenknospen ist eine eher mühsame Beschäftigung, 100g zusammen zu bekommen schon eine Fleißaufgabe.
Da sie so nah an der Erde wachsen ist gründliche Säuberung notwendig. Wasser(oder Wein) mit Essig und Salz aufkochen, die Knospen dazu geben und 5 Minuten köcheln lassen. Anschließend mit der Flüssigkeit heiß in kleine Schraubgläser füllen und sofort verschließen.