Haferschlehe (Prunus domestica ssp insititia)

Aus Pflanzenwiki

Weitere Namen

Haferschlehe, Austrieb (23.4.)
Haferschlehe, Blüte (14.4.)
Haferschlehe, Früchte (21.8.)

Krieche, Kriechele, Krete, Haferpflaume, Schwarzdorn

Botanischer Name

»Prunus« von lat. prunum - Pflaume, »domestica« lat. domesticus - Haus-, Kultur-, »insititia« lat. insititius - eingepfropft, eingepflanzt, Erstbeschreibung 1755 als Prunus insititia durch Carl von Linné (1707-1778) schwedischer Naturforscher, 1894 umbenannt in Prunus domestica ssp. insititia durch Gaston Eugen Marie Bonnier (1853-1922) und George de Layens (1834-1892) beides französische Botaniker

Englischer Name

Damson Plum

Familie

Rosengewächse, Rosaceae

Verbreitung

Europa, Deutschland

Wuchs

ausdauernd, baumartiger Strauch, anfangs eher langsam wachsend, Wurzelausläufer treibend, gelegentlich Sprossdornen an zwei- bis dreijährigen Trieben sonst unbedornt, Blätter eiförmig, schwach gezähnt, Blüten in den Blattachseln

Standort

sonnig, nahrhafter Boden

Blütezeit

März, April

Blüte

weiße fünfzählige Blüten mit deutlich getrennten Kronblättern und vielen Staubgefäßen, in Büscheln in den Blattachseln stehend, meist im Innern des Strauches, vor oder während des Blattaustriebes

Fruchtreife

August, September

Frucht

rundliche dunkelblaue Steinfrüchte mit weißer Bereifung und kurzem Stiel, etwa 1,5 - 2cm durchmessend, festes, helles Fruchtfleisch, heller an beiden Enden spitz zulaufender Kern, schlecht steinlösend

Vermehrung

durch Wurzelausläufer, Veredelung

Frosthärte

Laub abwerfend, frosthart

Pflege

Rückschnitt falls erforderlich

Verwendbare Teile

Früchte frisch oder verarbeitet, als Marmelade, Likör oder für Kuchen (wegen des fest am Kern haftenden Fruchtfleisches ist die Frischverarbeitung etwas mühsam) Tee aus Blüten zur Blutreinigung und allgemeinen Stärkung

Inhaltsstoffe

Vitamine, Mineralstoffe, Gerbstoffe, Flavonoide, Glycoside, im Kern Amygdalin, Blausäure

Status

anwesend

Literatur

  • Aromaschätze Wildfrüchte und Gewürze S.78, Markusine Guthjahr (2008)
  • Bärlauch und Judenkirsche S.133, Gerhild Birmann-Dähne (1996)
  • Die Kräuter in meinem Garten S.493, Siegrid Hirsch, Felix Grünberger (2008)
  • Enzyklopädie der Wildobst- und seltenen Obstarten S.329, Helmut Pirc (2015)
  • Heilkraft aus dem Garten S.58, Wolfgang Hensel (1998)
  • Klassische Kräuter und Heilpflanzen S.152, Giola Romagnoli, Stefania Vasetti (1996)
  • Kräuter S.223, Burkhard Bohne (2010)
  • Paradiesapfel und Pastorenbirne S.131, Erika Schermaul (2004)
  • Wildfrüchte Köstlichkeiten aus der Natur S.98, Markusine Guthjahr (2011)
  • Wildes Obst S.89, Hans-Joachim Albrecht (2018)
  • Wildobst S.114, Helmut Pirc (2009)
  • Wildpflanzen auf unserem Tisch S.138, Dagmar Lánská (1990)
  • Wo die wilden Pflanzen wohnen S.134, Ewald Weber (2022)
  • kraut&rüben 9/1999 S.54, 11/2007 S.49

Geschichte und Geschichten

Die Schlehe begleitet den Menschen schon seit uralter Zeit. Bereits die Bewohner jungsteinzeitlicher Pfahlbauten haben die kugeligen Früchte verwendet, wie zahlreiche Kernfunde aus Grabungen belegen. Der Name „Schlehe“ geht auf die sprachliche Wurzel „Sli“ zurück, was „bläulich“ bedeutet und im gesamten germanischen Sprachraum gebräuchlich war. Die lateinische Bezeichnung Prunus spinosa setzt sich aus „Pflaume“ und „dornig“ zusammen. Wie kleine Pflaumen sehen die Früchte aus und da das in Vorderasien liegende Ursprungsgebiet der Schlehe sich mit einer weiteren Wildfrucht, der Kirschpflaume (Prunus cerasifera) überschneidet, wird heute davon ausgegangen, dass die Vorfahren unserer heutigen Kulturpflaumen natürliche Kreuzungen dieser beiden Arten waren. Die Schlehe selbst ist ein weitgehend unkultiviertes Wildgehölz geblieben. Da ihr Verbreitungsgebiet sich über ganz Europa und bis nach Nordafrika erstreckt, gibt es kaum eine Gegend, in der sie nicht wächst. Vom Flachland bis in Höhenlagen von 1600 Metern besiedelt sie bevorzugt offenes Gelände wie Waldränder, Kahlschläge oder auch kalkhaltige Geröllstandorte. Dort bildet sie über Wurzelausläufer im Laufe der Jahre dichte, nahezu undurchdringliche Bestände. Lange spitze Sprossdornen und die am älteren Holz sehr dunkle Rinde sorgten für einen weiteren geläufigen Namen, Schwarzdorn. Das Holz selbst ist feinfaserig mit rötlichem Splint und gut geeignet für feine Drechslerarbeiten. Früh im Jahr öffnet die Schlehe als erste der Prunus- Arten ihre reinweißen Blüten. Als „fürwitzig“ wurde sie bezeichnet, wenn sie sich im März in „blendend Linnen, weiß wie Schnee“ hüllte. Einzeln oder zu wenigen an kurzen Stielen sitzen die eher kleinen, fünfzähligen Blüten in solcher Menge an den Zweigen, dass der Strauch kaum noch zu sehen ist. Eine Wolke von Bittermandelduft umweht ihn und zieht unzählige Insekten an. Das wiederum wissen viele Vögel zu schätzen, die nach dem Winter auf Nahrungssuche sind oder nach einem Brutrevier Ausschau halten. Zaunkönig und Dorngrasmücke zum Beispiel bevorzugen derartige bodennahe Dickichte. Der Laubaustrieb nach der Blüte lässt die Schlehe im Grün der Umgebung verschwinden. Mit ihren kaum mehr als drei Metern Höhe gliedert sie sich in eine Waldrandgesellschaft genauso ein wie in eine bunte Hecke aus Wildgehölzen. Mit ihren Wurzelausläufern, die bis zu zehn Meter weit unterwegs sind, eignet sie sich gut für erosionsgefährdete Standorte wie Böschungen, wo sie den Boden festhält. Im Kleingarten kann ihr Ausbreitungsdrang leicht problematisch werden und nur rigorose Schnittmaßnahmen halten sie im Zaum. Werden die Wurzelausläufer weg gestochen, animiert das die Pflanze allerdings, sich umso mehr Mühe zu geben. Das dürfte einer der Gründe sein, weshalb schon unsere Vorfahren die Steinfrüchte lieber an den vielen Wildstandorten sammelten, als sich den Strauch in den Garten zu holen. Schlehen sind recht unempfindlich, werden aber gelegentlich von Gespinstmotten heimgesucht, deren Raupen ganze Bestände einspinnen und kahl fressen. Zum Problem wird das aber nur, wenn Pflaumenbäume in der Nähe wachsen, auf die der Befall übergehen kann. Im September färben sich die runden, 1- 1,5 cm durchmessenden Schlehen blauschwarz, was aber unter einer hellen Bereifung verborgen bleibt. In guten Jahren hängen die Büsche so voll, dass sich die Zweige herunterbiegen. Ein einzelner Strauch kann dann bis zu 40 Kilo Ertrag bringen. Je mehr Sonne die Früchte abbekommen, desto aromatischer werden sie. Der erste Geschmackseindruck ist aber der von Säure und Gerbstoffen. Die Mundschleimhaut zieht sich deutlich zusammen und der Speichelfluss wird angeregt. Darum wurden Schlehen früher beim Spinnen gekaut. Erst nach den ersten kräftigen Herbstfrösten beginnen die Gerbstoffe, sich zu zersetzen, dann lässt sich der Zuckergehalt der Früchte erahnen, der immerhin bei bis zu 10% liegen kann. Für den Rohverzehr bleibt die Frucht auch dann zu sauer. Ein paar Schlehen vom Strauch gezupft reichen, um den Appetit zu stillen. Dazu kommt, dass sich das Fruchtfleisch sehr schlecht vom Kern löst, ein Merkmal, das auch bei immer wieder in freier Wildbahn auftretenden Pflaumenwildlingen anzutreffen ist. Schlehen fallen kaum von allein von den Zweigen, häufig bleiben sie bis in den Winter hinein hängen und warten auf hungrige Vögel wie Krähen und Elstern, die gleich für die weitere Verbreitung sorgen. Zur Schlehenernte sollten feste Kleidung und Handschuhe getragen werden, denn gerade in dichteren Beständen sind die spitzen Sprossdornen sehr effektiv. In manchen Gegenden wurden sie genutzt, um Wurstenden zu verschließen. Ganze Zweige wurden um Obstgehölze gebunden, um sie vor Wildverbiss zu schützen. War die Ernte trotz aller Widrigkeiten ergiebig, lassen sich die Fürchte vielseitig verwenden. Aus dem Saft lassen sich Gelee oder Wein herstellen, süßsauer eingelegte Schlehen passen gut zu Wildgerichten. In der Volksheilkunde werden hauptsächlich die Blüten der Schlehe eingesetzt. Ein Tee daraus dient der Blutreinigung und allgemeinen Stärkung. Als sanft wirkendes Abführmittel wird er für Kinder empfohlen. Ein starker Teeaufguß oder auch der Saft der Beeren haben sich bei entzündlichen Erkrankungen des Zahnfleisches und des Rachenraumes bewährt.

Die systematische Einordnung der Haferschlehe ist nicht ganz unumstritten, fest steht, dass sie schon lange vor der Pflaume in unseren Breiten heimisch war, wie Funde aus der jüngeren Steinzeit belegen. Der Name leitet sich von der Reifezeit ab, die mit der des Hafers zusammen fällt und somit vor der der gewöhnlichen Schlehe liegt. Schon in der zweiten Augusthälfte entwickeln die kirsch-großen Früchte ihr typisches, süß-säuerliches Aroma, das kaum bittere Beimischungen hat, und können direkt vom Strauch genascht werden. Mit der Verarbeitung sollte nicht zu lange gewartet werden, da die Haferschlehen sonst von Vögeln oder Würmern gefressen werden oder faulen.

Dieser Text ist im Mai 2014 in der Berliner Ausgabe des "Gartenfreund" erschienen

Kulinarisches

Schlehenlikör

  • 1500g Schlehen (nach dem ersten Frost geerntet) oder Haferschlehen (die dann Ende August geerntet)
  • 750g Zucker
  • 2 l Doppelkorn oder Wodka


  • die gesäuberten, trockenen Schlehen mit dem Zucker in ein Gefäß geben und mit dem Alkohol übergießen und verschlossen an einen kühlen Ort stellen, gelegentlich leicht schütteln, damit sich der Zucker vollständig löst
  • nach mindestens sechs Wochen die Flüssigkeit abseihen und in Flaschen füllen, je länger die Früchte im Alkohol liegen, desto intensiver wird das Aroma des Likörs, nach drei Monaten schmeckt er deutlich nach Mandeln


Beschwipste Schlehenkonfitüre

  • die vom Likör übrig gebliebenen Schlehen
  • Gelierzucker 3:1
  • Apfelsaft
  • nachdem die Schlehen im Alkohol gelegen haben, lassen sie sich relativ leicht entkernen, wem das zu mühsam ist, der kocht sie knapp mit Wasser bedeckt auf und dreht sie durch die Flotte Lotte
  • die entstandene Fruchtmasse nach Bedarf mit Apfelsaft (oder Schlehenlikör) auffüllen, mit dem Gelierzucker nach Anweisung verarbeiten, in Gläser abfüllen und sofort verschließen


Haferschlehen-Mus

  • 1500 g Haferschlehen
  • 200g Zucker
  • die Haferschlehen in einen Topf geben und langsam aufkochen, dabei vorsichtig zerdrücken (Kartoffelstampfer) bis sie Saft abgeben und zerfallen, dann durch ein Passiersieb (Flotte Lotte) drehen und das Mus auffangen
  • in einem weiten Topf mit dem Zucker mischen, etwa zwei bis drei Stunden bei niedriger Temperatur unter häufigem Rühren einköcheln lassen (je länger das Mus köchelt umso deutlicher wird das herbe Schlehenaroma, Kostprobe nehmen und bei Bedarf mehr Zucker zugeben), dann in Gläser abfüllen und sofort verschließen