Nachtkerze (Oenothera biennis)

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Weitere Namen

Nachtkerze, Sämlinge (1.5.)
Nachtkerze, Herbstrosette (11.9.)
Nachtkerze, Bestand (22.8.)
Nachtkerze, Blütenstand (27.6.)
Nachtkerze, Blüte (4.7.)
Nachtkerze, von Stieglitzen geplünderter Samenstand (23.12.)
Nachtkerze, Samen

Gelbe Rapunzel, Schinkenwurzel, Stabwurzel, Rapontika, Eisenbahnerlaterne (wegen der Verbreitung der Samen im Frachtgut auf Bahnstrecken)

Botanischer Name

»Oenothera« von gr. oinotheris - ein Strauch dessen Wurzel nach Wein duften sollte, »biennis« lat. zweijährig, Erstbeschreibung 1753 durch Carl von Linné (1707-1778) schwedischer Naturwissenschaftler Nachtkerzengewächse, Onagraceae

Verbreitung

Nordamerika, seit 1612 in Europa angepflanzt

Wuchs

zweijährig, im ersten Jahr flache Rosette, bis 30cm lange lanzettliche Blätter, an trockenen Standorten rötlich überlaufen, im zweiten Jahr ein- bis mehrtriebiger Blütenstand bis über 2m hoch

Standort

sonnig, nahrhafter Boden bevorzugt, kommt aber auch mit mageren Standorten zu recht, bleibt dann entsprechend kleiner (manchmal nur 20cm hoch)

Blütezeit

(Mai), Juni, Juli, August, (September)

Blüte

kerzenartiger sich verlängernder Blütenstand, gelbe vierzählige Blüten die sich am späten Nachmittag öffnen und am nächsten Vormittag schließen, die Blüten öffnen sich so schnell, dass sich das Schauspiel leicht beobachten lässt, leicht säuerlich duftend

Fruchtreife

September, Oktober

Frucht

vierfächerige etwa 3cm lange Kapsel mit ca 200 kleinen hellbraunen Samen, die Kapsel öffnet sich von der Spitze her

Vermehrung

durch Selbstaussaat

Frosthärte

grün überwinternd, häufig mit rötlichen Blatträndern, in strengen Wintern oberirdisch erfrierend, Wurzel frosthart

Tierische Besucher

Bestäubung hauptsächlich durch Nachtfalter, z.B. Nachtkerzenschwärmer, die Raupe des Mittleren Weinschwärmers frisst gelegentlich von den Blättern, bleiben die Samenstände über Winter stehen, so holen sich verschiedene Finken und Meisen die Samen

Pflege

große Blütenstände eventuell hochbinden, wenn sie sich nicht aussamen soll nach der Blüte ausreißen

Verwendbare Teile

Wurzel als Gemüse, junge Blätter und Blüten roh als Salatzutat, Tee aus den Blättern bei Durchfall und Krämpfen, aus blühenden Sprossspitzen bei Husten und Bronchialleiden, Öl aus den Samen bei Neurodermitis

Inhaltsstoffe

in den Samen ungesättigte Fettsäuren (Gammalinolensäure), Eiweiß, Linolsäure, Ölsäure, in den Blättern Phytosterole, Gerbstoffe, Schleimstoffe

Status

anwesend

Literatur

  • A Contemplation upon Flowers S.134, Bobby J. Ward (1999)
  • Alte Gemüsesorten S.99, Elke Achtner-Theiss, Sabine Kumm (2015)
  • Berliner Pflanzen S.50, Heiderose Häsler, Iduna Wünschmann
  • Bienenweide und Hummelparadies S.213, Dave Goulson (2021)
  • Blattrosetten S.72, Raimund Fischer (1997)
  • Das neue BLV Buch der Kräuter S.89, Richard Mabey (Hrsg.) (1989)
  • Die Kräuter in meinem Garten S.412, Siegrid Hirsch, Felix Grünberger (2008)
  • Duftpflanzen S.37, Bernd Dittrich (1988)
  • Dumonts große Kräuter-Enzyklopädie S.318, Deni Bown (1996)
  • Enzyklopädie Essbare Wildpflanzen S.347, S.G.Fleischhauer, J.Guthmann, R.Spiegelberger (2013)
  • Essbare Samen S.98, Anke Höller, Doris Grappendorf (2019)
  • Essbare Wildbeeren und Wildpflanzen S.92, Detlev Henschel (2002)
  • Feld- Wald- und Wiesenkochbuch S.82, Eve Marie Helm (1978)
  • Goethes Gärten in Weimar S.81, Dorothee Ahrendt, Gertraud Aepfler (1994)
  • Hagebutte & Co S.150, Angelika Lüttig, Juliane Kasten (2003)
  • Illustriertes Heil-, Gift- und Nutzpflanzenbuch S.149, Adelbert von Chamisso (1827)
  • Kräuter S.156, Burkhard Bohne (2010)
  • Mit Pflanzen verbunden S.269, Wolf-Dieter Storl (2005)
  • Neophyten S.301, Norbert Griebl (2020)
  • Neue Nachrichten aus dem Garten S.37, Jürgen Dahl (1987)
  • Neulich im Beet S.79, Stefanie Flamm (2022)
  • Sonnentau und Goldregen S.23, Daniel Blajan (1997)
  • Süchtig nach Grün S.169, Renate Hücking (2007)
  • Vom Geschmack der Lilienblüten S.328, Jürgen Dahl (1995)
  • kraut&rüben 7/2001, 7/2007 S.16, 1/2018 S.52, 7/2019 S.18, 11/2023 S.53

Geschichte und Geschichten

Nachtkerzen sind in unserer Umgebung so weit verbreitet, dass sie einfach dazu gehören zu unserer Wildflora. Dabei sind sie ursprünglich gar nicht in Europa zu Hause. Sie stammen aus Nordamerika und sind im Jahre 1614 als Zierpflanzen eingeführt worden. Seitdem ist so viel Zeit vergangen, dass sie kaum noch als Neubürger bezeichnet werden können. Sie haben sich in ihrer neuen Heimat so gut eingerichtet, dass es mittlerweile verschiedene Unterarten gibt, die sich an unterschiedliche europäische Standorte angepasst haben. Nachtkerzen nehmen mit den Gegebenheiten vorlieb, die sich ihnen bieten. Ist der Boden karg, dann bleibt die Rosette eben klein und der Blütenstand nicht höher als 20-30cm. Auf gut mit Nährstoffen versorgten Böden hingegen breitet sich die Rosette im ersten Sommer weit aus, schiebt ihre Wurzel tief in die Erde hinein. Die Blätter der Nachtkerzen sind glatt und teilweise rötlich überlaufen, daran lassen sie sich deutlich von Königskerzen unterscheiden. Hat sich die Nachtkerze im Garten angesiedelt und wird ein bisschen zu aufdringlich, so sollte mit dem Jäten gewartet werden bis zum Herbst. Da lässt sich die Wurzel nämlich in der Küche als Gemüse verwerten. Schinkenwurzel lautet ein in Vergessenheit geratener Name der Pflanze, in schlechten Zeiten wurden die Rüben geerntet, wo immer sie auftauchten. Aus Thüringen stammt der Ausspruch:»Ein Pfund Rapontika verleiht mehr Kräfte als ein Zentner Ochsenfleisch«. Ein paar besonders schöne Exemplare sollten im Garten Asyl bekommen, sei es im Staudenbeet oder in einem Stück wilder Wiese. Den Winter überstehen die flach auf dem Boden liegenden Blätter ohne groß Schaden zu nehmen. Sobald die Sonne wieder höher am Himmel steht, beginnt die Nachtkerze, in die Höhe zu wachsen. Zunächst stellen sich die inneren Rosettenblätter auf, schützen die entstehenden Blütenknospen. Wenn der Stängel in die Höhe wächst,löst sich die Rosette auf und alle Nährstoffe gehen jetzt in die Entwicklung der Blüten. Normalerweise wächst die Nachtkerze eintriebig, wird die Entwicklung aber schon am Anfang gestört, verzweigt sich der Stängel, was dann aussieht als wäre der Blütenstand mehrtriebig. Im oberen Bereich wachsen ohnehin Seitentriebe, die aber der Hauptblüte untergeordnet sind. Die leuchtend gelben vierzähligen Blüten öffnen sich am späten Nachmittag. Ungewöhnlich ist die Geschwindigkeit, mit der sie das zu Wege bringen. Die enge grüne Hülle hat zwei Sollbruchstellen und wenn der Druck im Innern der Blüte groß genug ist, reißen diese Nähte auf, klappen nach hinten und innerhalb einer Minute entfaltet sich die Blüte. In der Abenddämmerung beginnt sie zu duften und lockt damit Nachtfalter wie zum Beispiel die Gamma-Eule an, die dann ganz euphorisch um die Blüten herum tanzen. Am Vormittag des folgenden Tages schließt sich die Blüte wieder und widmet sich der Samenproduktion. Bis in den Herbst hinein öffnen sich immer wieder neue Blüten, die bei abnehmender Tageslänge allerdings kleiner und blasser werden. Die zunächst grünen vierfächerigen Samenkapseln reifen von unten nach oben, öffnen sich an der Spitze sobald sie trocken sind. Der Wind schüttelt einen Teil der Samen heraus, wesentlich effizienter sind allerdings die Stieglitze, die im Winter an den Samenständen hängen und die Kapseln mit ihren kräftigen Schnäbeln aufbiegen.