Roter Fingerhut (Digitalis purpurea)

Aus Pflanzenwiki

Weitere Namen

Roter Fingerhut, Austrieb (31.3.)
Roter Fingerhut, Blüte (24.5.)
Roter Fingerhut, Samenkapseln (7.7.)
Roter Fingerhut, Samen

Fingerkraut, Fuchskraut, Liebfrauenhandschuh, Waldglöckchen, Elfenkraut

Botanischer Name

»Digitalis« mlat. digitale - Fingerhut als Werkzeug des Schneiders, »purpurea« purpurrot, Erstbeschreibung 1753 durch Carl von Linné

Englischer Name

Foxglove

Familie

Rachenblütler, Scrophulariaceae

Verbreitung

West- und Mitteleuropa

Wuchs

zweijährig bis kurzlebige Staude, kurze helle Pfahlwurzel, im Austrieb aufrechte, später flach aufliegende weich behaarte ovale Laubblätter bis 25cm lang, im ersten Jahr eine Rosette bildend, im zweiten Jahr einseitwendiger Blütenstand bis 180cm (selten über 2m) hoch

Standort

sonnig bis halbschattig, nahrhafter, leicht saurer Boden

Blütezeit

Juni, Juli, August, (September)

Blüte

einseitwendige Traube mit bis zu 200 4-5cm langen bauchigen Glocken in rosa (selten weißen) Farbtönen, Unterlippe in die Röhre hineinführend mit kreisförmigen Mustern markiert, 5 zu einer Röhre verwachsene Kronblätter, vormännlich, die Einzelblüten bleiben etwa 6 Tage geöffnet

Fruchtreife

September, Oktober

Frucht

aufrecht stehende Spaltkapsel, Samen sehr klein, hellbraun, werden durch Wind und Tiere verbreitet

Vermehrung

durch Aussaat, häufig Selbstaussaat

Frosthärte

Rosette grün überwinternd

Tierische Besucher

Bestäubung durch Hummeln die beim Eindringen in die Blüte oberseits mit Pollen bepudert werden

Pflege

kaum Pflege nötig, nach dem Entfernen des Blütenstandes vor der Samenreife blüht die Pflanze meist auch im dritten Jahr

Verwendbare Teile

Blätter herzwirksam, keine Selbstmedikation, da sehr giftig

Inhaltsstoffe

Glycoside (Digitoxin, Digoxin, Gitoxin), Saponine

Status

anwesend

Literatur

  • A Contemplation upon Flowers S.147, Bobby J. Ward (1999)
  • An Ear to the Ground S.152, Ken Thompson (2003)
  • Bienenweide und Hummelparadies S.143, Dave Goulson (2021)
  • Blattrosetten S.39, Raimund Fischer (1997)
  • Blumen und Kräuter, Geheimnisvolle Namen... S.70, Ulrich Völkel (2010)
  • Das Summen in der Wiese S.216, Dave Goulson (2014)
  • Die Kräuter in meinem Garten S.179, Siegrid Hirsch, Felix Grünberger (2008)
  • Die neue Gartenlust S.71, Johannes Roth (1994)
  • Die Weltgeschichte der Pflanzen S.353, Wolfgang Seidel (2012)
  • Dumonts große Kräuter-Enzyklopädie S.273, Deni Bown (1996)
  • Enzyklopädie Essbare Wildpflanzen S.605, S.G.Fleischhauer, J.Guthmann, R.Spiegelberger (2013)
  • Geheimnisse der Pflanzenwelt S.71, Gerd K. Müller, Christa Müller (2003)
  • Giftpflanzen Pflanzengifte S.307, Roth, Daunderer, Kormann (1994)
  • Großes Kräuter- und Gewürzbuch S.112, Heinz Görz (1987)
  • Hagebutte & Co. S. 120, Angelika Lüttig, Juliane Kasten (2003)
  • Heilsam bis Tödlich S.162, Jan Grossarth (2022)
  • Illustriertes Heil-, Gift- und Nutzpflanzenbuch S.197, Adelbert von Chamisso (1827)
  • Kräuter S.204, Burkhard Bohne (2010)
  • New Kreüterbuch Cap.CCCXLV, Leonhart Fuchs (1543)
  • Schön aber gefährlich S.86, Helga Urban, Marion Nickig (2009)
  • Sechzig einheimische Wildpflanzen... S.110, Detlev Arens (1991)
  • Spaziergänge in meinem Garten S.188, Anne-Marie Koenig (1998)
  • The Bedside Book of the Garden S.295, Dr. D.G. Hessayon (2008)
  • The curious Gardener's Almanac S.113, Niall Edworthy (2006)
  • The Morville Year S.74, Katherine Swift (2011)
  • Tod und Flora S.59, Helmut Eisendle (2009)
  • Was die Kräuterhexen sagen S.24, S.47, Maureen und Bridget Boland (1983)
  • Was hier alles wächst S.142, Susanne Lipps (2017)
  • Wildblumen im Hausgarten S.87, John Stevens (1987)
  • Wildpflanzen für jeden Garten S.137, Reinhard Witt (1994)
  • Zwiebel, Safran, Fingerhut S.64, Bill Laws (2012)
  • kraut&rüben 4/2004, 5/2009 S.94

Geschichte und Geschichten

Bereits aus dem 5. Jahrhundert stammen gesicherte Hinweise, dass der Fingerhut in Irland als Heilpflanze genutzt wurde. Im Mittelalter verschwand die Pflanze vorübergehend aus der Heilkunde. So schreibt Leonhart Fuchs in seinem Kreüterbuch: "Ist in summa ein schön lustig kraut anzusehen, habs derhalben nit künden übergeen, unangesehen das es noch in keinem brauch ist bey den ärtzeten, so vil und mir bewüßt." Erst im 18. Jahrhundert tauchte der Fingerhut wieder auf, als sein hoher Gehalt an herzwirksamen Glycosiden entdeckt wurde. Natürliche Standorte des Fingerhutes sind Waldränder und Lichtungen. Entstehen größere Brachen durch Holzeinschlag oder Windbruch, so füllen sich diese erstaunlich schnell, als hätten die Samen nur darauf gewartet, ans Licht zu kommen. Im ersten Jahr ist der Boden überzogen von den weichen Blättern der jungen Rosetten, die teilweise zu stattlicher Größe heran wachsen. Sie überwintern im Allgemeinen grün, nach längeren Kahlfrostperioden im Spätwinter sehen die älteren Blätter häufig aus, als wären sie erfroren, die verbräunten Ränder zeigen aber an, dass die Pflanze im gefrorenen Zustand kein Wasser aufnehmen konnte und somit Trockenschäden entstanden sind. Im zweiten Jahr entwickelt sich der Blütenstand, unter günstigen Bedingungen wird er bis zu zwei Meter hoch. Einseitwendig sitzen die Blüten an dem Stängel, der häufig etwas in sich gedreht ist, und am unteren Ende einen Durchmesser von gut vier Zentimetern haben kann. Die meisten Pflanzen blühen in dem typischen kräftigen rosa, in größeren Beständen finden sich aber auch immer einige weiße Exemplare. Die Blüten öffnen sich von unten nach oben und sind vormännlich. Das heißt, dass zunächst die Staubgefäße reifen und erst später die weiblichen Organe. Hummeln als Hauptbestäuber arbeiten sich gewöhnlich von unten nach oben durch den Blütenstand, streifen also den von einer anderen Pflanze mitgebrachten Pollen an den unteren (weiblichen) Blüten ab und nehmen frischen Pollen von den oberen (männlichen) Blüten mit. Die Blütezeit zieht sich von Anfang Juni bis in den September, wo im unteren Bereich die Samen schon ausreifen, während sich oben immer noch Blüten öffnen, die allerdings, bei sinkendem Sonnenstand, kleiner und blasser in der Farbe werden. Die rundlichen Samenkapseln haben an der Oberseite eine Naht, an der sie irgendwann aufplatzen. Sie sind angefüllt mit kleinen hellbraunen Samen, die herausgeschleudert werden, wenn der Wind kräftig genug weht oder Tiere im Vorbeilaufen an der Pflanze rütteln. Die Samen überdauern im Boden, bis die Umstände zum Keimen günstig sind. Wenn auf der Brache die Gräser langsam die Überhand gewinnen und junge Bäume nachwachsen, verschwindet die Farbenpracht wieder.