Tollkirsche (Atropa belladonna)

Aus Pflanzenwiki

Weitere Namen

Tollkirsche, Sämlinge (17.10.)
Tollkirsche, Wuchs (27.5.)
Tollkirsche, Knospen und Blüte (12.7.)
Tollkirsche, Blüte mit sich öffnenden Staubgefäßen (13.6.)
Tollkirsche, wachsende Frucht (26.6.)
Tollkirsche, reife Frucht (31.7.)
Tollkirsche, Samen

Belladonna, Teufelskirsche, Taumelkraut, Schlafkirsche, Schwarze Tollkirsche, Tintenkirsche

Botanischer Name

»Atropa« eine der drei den Lebensfaden durchschneidenden Schicksalsgöttinnen der griechischen Mythologie, »belladonna« ital. schöne Frau, der Saft der Tollkirsche bewirkt in die Augen geträufelt eine Erweiterung der Pupillen, was besonders anziehend auf Männer wirken sollte

Englischer Name

Belladonna

Familie

Nachtschattengewächse, Solanaceae

Verbreitung

Europa, Westasien, Nordafrika

Wuchs

ausdauernd, rübenartige Hauptwurzel, Austrieb lila überlaufen, eigenwillig schräg verzweigt auseinander wachsend, Blatt breit lanzettlich, weich behaart, Blütenstand bis 1,5m hoch

Standort

sonnig bis halbschattig, an Waldrändern und Gebüschsäumen

Blütezeit

Juni, Juli, August, September

Blüte

aus fünfzähligem zipfeligem Kelch herauswachsende, am Stielansatz weiße, zu den Zipfeln hin trüb violette Glocken in den Blattachseln, meist einzeln, fünf verwachsene Kronblätter, nur an den Spitzen getrennt, vorweiblich, die Narbe steht in der Öffnung der Blüte oder schaut ein Stück heraus, die fünf Staubgefäße befinden sich innerhalb der Blüte und öffnen sich erst nach zwei bis drei Tagen, nach der Bestäubung fällt die welke Blütenkrone ab, die Frucht wächst umschlossen von den offenen Kelchblättern, die Blüten sind für eine Bestäubung durch Hummeln und Bienen eingerichtet, kleinere Fliegen nutzen sie aber gerne als Schutzraum, damit sie den Nektar nicht rauben können, befinden sich am Grund der Blüte dicht stehende Haare, die den Zugang verhindern

Fruchtreife

Juli, August, September, Oktober, (November)

Frucht

glänzende schwarze knapp kirschgroße Beere, auf den weit geöffneten Kelchblättern aufsitzend, süßlicher dunkel violetter Saft, viele kleine Kerne, voll ausgereift schrumpeln die Früchte ein und fallen dann ab

Vermehrung

durch Aussaat möglichst frischer Samen im Sommer, Keimdauer 3-4 Wochen, gelegentlich Selbstaussaat

Frosthärte

im Winter einziehend, Wurzel frosthart

Tierische Besucher

der Austrieb ist bei Schnecken sehr begehrt, Bestäubung durch Bienen und Hummeln, die für Vögel ungiftigen Beeren werden von Amseln, Drosseln, Staren, Mönchsgrasmücken und anderen gefressen, auch Schnecken mögen die Beeren, tragen zur Verbreitung im nahen Umkreis bei

Pflege

kaum Pflege nötig, schneckensicherer Standort sinnvoll

Verwendbare Teile

Giftpflanze, keine Selbstmedikation, Saft wurde (und wird in der Augenheilkunde) zum Weiten der Pupillen verwendet, Genuss der Beeren bewirkt erst Rauschzustände, dann Raserei und Tollheit, später Tod durch Atemlähmung

Inhaltsstoffe

Scopolamin, Hyoscyamin, Atropin, Flavonoide, Cumarine

Status

anwesend

Literatur

  • An Ear to the Ground S.40, Ken Thompson (2003)
  • Die Blüte S.150, Dieter Heß (1990)
  • Die Kräuter in meinem Garten S.563, Sigrid Hirsch, Felix Grünberger (2008)
  • Die Weltgeschichte der Pflanzen S.356, Wolfgang Seidel (2012)
  • Dumonts große Kräuter-Enzyklopädie S.246, Deni Bown (1995)
  • Enzyklopädie Essbare Wildpflanzen S.596, S.G.Fleischhauer, J.Guthmann, R.Spiegelberger (2013)
  • Giftpflanzen Pflanzengifte S.157, Roth, Daunderer, Kormann (1994)
  • Großes Kräuter- und Gewürzbuch S.264, Heinz Görz (1987)
  • Hagebutte & Co. S.178, Angelika Lüttig, Juliane Kasten (2003)
  • Heilsam bis Tödlich S.25/29, Jan Grossarth (2022)
  • Hexenkraut und Zaubertrank S.106, Hartwig Abraham, Inge Thinnes (1997)
  • Illustriertes Heil-, Gift- und Nutzpflanzenbuch S.190, Adelbert von Chamisso (1827)
  • Kluge Pflanzen S.108, Volker Arzt (2009)
  • Kölbls Kräuterfibel S.305, Konrad Kölbl (1993)
  • Kräuter S.200, Burkhard Bohne (2010)
  • Mit Pflanzen verbunden S.180, Wolf-Dieter Storl (2005)
  • Schön aber gefährlich S.60, Helga Urban, Marion Nickig (2009)
  • Tod & Flora S.139, Helmut Eisendle (2009)
  • Weeds S.8, Richard Mabey (2010)
  • Wildpflanzen für jeden Garten S.140, Reinhard Witt (1994)
  • Zauberpflanzen Hexenkräuter S.204, Gertrud Scherf (2002)

Geschichte und Geschichten

Atropa belladonna, einer der wenigen botanischen Namen, die mir schon sehr früh geläufig waren, auch wenn ich die Pflanze noch nie gesehen hatte. Die erste Begegnung war eine überraschende im Hochsauerland, in der Medebacher Bucht, wo die Tollkirsche recht verbreitet ist. An einer sonnigen Böschung am Waldrand war sie zu beeindruckender Größe heran gewachsen, zeigte Blüten und Früchte und zog mich sofort in ihren Bann. Aus den Samen der Beeren, die ich von dieser Wildpflanze mitnahm, versuchte ich, einen kleinen Bestand in meinen Garten zu holen. Die Samen keimten problemlos, aber von den Jungpflanzen, die ich gezogen habe, blieb nur eine übrig. Was ich nicht bedacht habe war der Umstand, dass das Nachtschattengewächs nur für uns Menschen hochgradig giftig ist. Ehe meine Pflänzchen im Frühjahr austreiben konnten, haben die Schnecken sie schon verspeist. Die letzte verbliebene steht jetzt unter besonderem Schutz, bekommt eine Umrandung aus zerkleinerten Eierschalen, die Schnecken ungern überqueren und die die Pflanze gleich noch mit Kalk versorgt. Mittlerweile ist die Wurzel so kräftig, dass im Ansatz der eigenwillige Wuchs erkennbar ist, der vielen Nachtschatten eigen ist. Die Pflanzen verzweigen sich unregelmäßig was die einzelnen Triebe ein bisschen schief aussehen lässt. Die lanzettlichen Blätter sind glatt und ganzrandig, manchmal ein wenig gewellt.

Inzwischen steht die zweite Generation Tollkirschen im Garten, hat sich gut entwickelt und trägt ihre glockenförmigen Blüten. Wenn die nach etwa einer Woche abfallen, sind tief im Kelch schon die kugeligen, noch grünen Fruchtansätze zu sehen, die so geschützt in den nächsten Wochen zu schwarzen Beeren heran wachsen. Mitte bis Ende Juli ist es soweit, die Kelchblätter stehen sternförmig ausgebreitet und mitten drin glänzen die einzelnen schwarzen Beeren, die so appetitlich aussehen, dass es schwer fällt, sie nicht zu kosten. Nach einiger Zeit schrumpeln sie ein und fallen dann ab, hinterlassen den leeren Kelch. Im Herbst stirbt die Pflanze ab, nur die trockenen ausgeblichenen Hauptstängel überdauern den Winter. Die rübenförmige Wurzel ruht bis zum Frühjahr, um dann erneut auszutreiben. Mit den Jahren wird sie umfangreicher und entsprechend üppiger sieht die Pflanze im Sommer aus.