Engelwurz (Angelica archangelica): Unterschied zwischen den Versionen
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====Geschichte und Geschichten==== | ====Geschichte und Geschichten==== | ||
Wenn die Engelwurz sich versamen darf, dann macht sie das gründlich und manch einen unbedarften Gärtner überkommt im ersten Moment die Panik, wenn er sieht, was da keimt. Engelwurzsämlinge sehen dem Austrieb vom Lieblingsfeind (fast) aller Gärtner, dem Giersch, verblüffend ähnlich. Der erste Schreck ist hoffentlich vorbei ehe alles radikal herausgerissen wurde, denn schon am Duft sind die beiden Pflanzen leicht zu unterscheiden. | Wenn die Engelwurz sich versamen darf, dann macht sie das gründlich und manch einen unbedarften Gärtner überkommt im ersten Moment die Panik, wenn er sieht, was da keimt. Engelwurzsämlinge sehen dem Austrieb vom Lieblingsfeind (fast) aller Gärtner, dem Giersch, verblüffend ähnlich. Der erste Schreck ist hoffentlich vorbei ehe alles radikal herausgerissen wurde, denn schon am Duft sind die beiden Pflanzen leicht zu unterscheiden. | ||
Beide gehören der Familie der Doldenblütler (Apiaceae) an, der Wuchs unterscheidet sich aber deutlich. Die Engelwurz würde niemals Wurzelausläufer bilden, dafür wird sie wesentlich größer als der Giersch. Wie groß, das hängt vom Nährstoffangebot ab. Im ersten Jahr bildet sich eine grundständige Rosette, aus der die lang gestielten mehrfach geteilten Blätter hervorwachsen. Bei gutem Nahrungsangebot kann sie durchaus einen Quadratmeter Platz beanspruchen. Erreicht sie bis zum Herbst eine solche Größe, wird ihr Leben nicht länger als zwei Jahre dauern. Sie lagert die Nahrung des Sommers in ihren Wurzeln ein und zieht sich über Winter von der Oberfläche zurück. Der Austrieb des zweiten Jahres ist nicht mehr mit Giersch zu verwechseln, was sich jetzt aus dem Boden schiebt ist von Anfang an wesentlich mächtiger. | Beide gehören der Familie der Doldenblütler (Apiaceae) an, der Wuchs unterscheidet sich aber deutlich. Die Engelwurz würde niemals Wurzelausläufer bilden, dafür wird sie wesentlich größer als der Giersch. Wie groß, das hängt vom Nährstoffangebot ab. Im ersten Jahr bildet sich eine grundständige Rosette, aus der die lang gestielten mehrfach geteilten Blätter hervorwachsen. Bei gutem Nahrungsangebot kann sie durchaus einen Quadratmeter Platz beanspruchen. Erreicht sie bis zum Herbst eine solche Größe, wird ihr Leben nicht länger als zwei Jahre dauern. Sie lagert die Nahrung des Sommers in ihren Wurzeln ein und zieht sich über Winter von der Oberfläche zurück. Der Austrieb des zweiten Jahres ist nicht mehr mit Giersch zu verwechseln, was sich jetzt aus dem Boden schiebt ist von Anfang an wesentlich mächtiger. | ||
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Das besondere an der Engelwurz sind ihre fast perfekt kugelförmigen Doppeldolden. Die Blüten selbst sind unspektakulär, meist grünlich, die Doldenform aber ist einfach großartig. Neben der Hauptdolde bilden sich etliche kleinere, im unteren Stängelbereich entstehen Seitentriebe, die ebenfalls in Dolden enden. | Das besondere an der Engelwurz sind ihre fast perfekt kugelförmigen Doppeldolden. Die Blüten selbst sind unspektakulär, meist grünlich, die Doldenform aber ist einfach großartig. Neben der Hauptdolde bilden sich etliche kleinere, im unteren Stängelbereich entstehen Seitentriebe, die ebenfalls in Dolden enden. | ||
Käfer und Fliegen zählen zu den Bestäubern der imposanten Pflanze, sitzen an sonnigen Tagen in großer Zahl am offen dargebotenen Nektar. Nach erfolgreicher Bestäubung entstehen rundliche Samen, die von einer dünnen abgeflachten Haut umgeben sind. Sie ermöglicht eine begrenzte Flugfähigkeit zur Verbreitung der Pflanze. Der Wind schüttelt die reifen Samen aus ihrer Verankerung, die meisten landen unweit der Mutterpflanze. Die hat somit ihren Zweck erfüllt und stirbt ab. Die Blätter vergilben, der Blütenschaft vertrocknet. Ohne Blattwerk wird seine Struktur sichtbar, die Stabilität gebende Riffelung, die Knoten mit ihren Verzweigungen und die filigranen Reste der Dolden. Solange die Wurzel noch genug Halt gibt, kann die Pflanze bis in den Winter hinein einen sehr attraktiven Blickfang bieten. | Käfer und Fliegen zählen zu den Bestäubern der imposanten Pflanze, sitzen an sonnigen Tagen in großer Zahl am offen dargebotenen Nektar. Nach erfolgreicher Bestäubung entstehen rundliche Samen, die von einer dünnen abgeflachten Haut umgeben sind. Sie ermöglicht eine begrenzte Flugfähigkeit zur Verbreitung der Pflanze. Der Wind schüttelt die reifen Samen aus ihrer Verankerung, die meisten landen unweit der Mutterpflanze. Die hat somit ihren Zweck erfüllt und stirbt ab. Die Blätter vergilben, der Blütenschaft vertrocknet. Ohne Blattwerk wird seine Struktur sichtbar, die Stabilität gebende Riffelung, die Knoten mit ihren Verzweigungen und die filigranen Reste der Dolden. Solange die Wurzel noch genug Halt gibt, kann die Pflanze bis in den Winter hinein einen sehr attraktiven Blickfang bieten. | ||
Da die Samen der Engelwurz, wie die vieler anderer Doldenblütler auch, nur eine begrenzte Lebensdauer haben, müssen sie schnell ausgesät werden. Der beste Standort ist immer der, an dem der Same von alleine keimt. Wenn dort also genügend Platz vorhanden ist und nicht auf allzu strenge Ordnung geachtet wird, werden im folgenden Frühjahr viele kleine Engelwurzen erscheinen. Solange sie jung sind, lassen sie sich problemlos verpflanzen,vertragen Sonne ebenso gut wie Halbschatten, solange der Boden nährstoffreich und halbwegs feucht ist. | |||
In freier Natur wird die Pflanze immer seltener, sie bevorzugt feuchte Wiesen in eher kühleren Lagen. Werden diese zu häufig oder zum falschen Zeitpunkt gemäht so geht im Laufe der Jahre der Bestand verloren. Wurzel oder Stängel sollten daher auch nicht aus Wildsammlung stammen, wenn sie verarbeitet werden sollen. | |||
Die Engelwurz stammt aus nördlichen Gegenden, älteste Berichte stammen aus Grönland, Island und Skandinavien. Ab dem späten Mittelalter wurde die Pflanze in Mitteleuropa kultiviert. Der Legende nach brachte ein Erzengel das heilkräftige Kraut zu einem frommen Einsiedler um ihn vor der Pest zu schützen. Das wäre eine Erklärung des Namens, möglicherweise leitet er sich aber auch von der ungeheueren Wuchskraft ab, der die Pflanze zum Erzengel unter den Kräutern machte. | |||
Die Klöster nahmen sich der Pflanze an, ihre Heilwirkung wurde in verschiedenen Rezepturen beschrieben. So wirkt ein Tee aus der getrockneten Wurzel vor den Mahlzeiten getrunken Appetit anregend und auch Bronchialleiden lassen sich positiv beeinflussen. Äußerlich wirken Bäder und Einreibungen schmerzstillend bei Rheuma und Muskelschmerzen.Empfindliche Menschen können allerdings mit Hautreizungen auf die frische Pflanze reagieren, denn wie viele andere Doldenblütler auch enthält sie Furocumarine, die fototoxisch wirken. | |||
=====Heilkunde===== | |||
=====Kulinarisches===== |
Version vom 11. Juli 2014, 19:31 Uhr
Weitere Namen
Angelika, Brustwurz, Erzengelwurz, Theriakwurz, Heiliggeistwurzel
Englischer Name
Garden-Angelica
Familie
Doldenblütler, Apiaceae
Verbreitung
Nord- und Osteuropa,Westasien, Nord- und Ostseeküste, vielfach ausgewildert
Wuchs
im ersten Jahr grob fiederblättrige Rosette bis etwa einen Meter Durchmesser,im zweiten (dritten/vierten) Standjahr bis armdicker Blütenschaft,große Hauptdolde, mehrere Nebendolden, nach Samenreife absterbend
Standort
(sonnig) halbschattig bis schattig, nahrhafter Boden
Blütezeit
(Juni), Juli, August
Blüte
große, nahezu kugelförmige Dolde, grünlich-gelbe unauffällige Einzelblüten
Fruchtreife
September, Oktober
Frucht
bei Reife hellbraun, abgeplattet breit elliptisch
Vermehrung
Aussaat nach Fruchtreife (Samen verlieren schnell an Keimkraft)
Frosthärte
Rosette frosthart
Pflege
kaum Pflege nötig, dekorativen Samenstand eventuell stützen
Verwendbare Teile
Wurzel im Spätherbst oder zeitigem Frühjahr (vor Neuaustrieb),getrocknet als Tee magen- und verdauungsstärkend, in kaltem Wasser angesetzt, aufgekocht, zehn Minuten köcheln lassen dann abseihen als Aperitif zur Anregung der magensaftproduktion, "Universalheilmittel", Stängel der frisch austreibenden Blätter kandiert als Süßigkeit oder Zutat zu Kuchen und Obstsalat
Inhaltsstoffe
äthrische Öle, Cumarin, Bitterstoffe, Gerbstoffe, Furanocumarine (Bergapten, phototoxisch!),Zucker
Literatur
- Bärlauch und Judenkirsche S.88, Gerhild Birmann-Dähne
- Die Kräuter in meinem Garten S.147, Siegrid Hirsch, Felix Grünberger
- Essbare Wildbeeren und Wildpflanzen S.182, Detlev Henschel
- Giftpflanzen Pflanzengifte S.126, Roth, Daunderer, Kormann
- Heilkraft aus dem Garten S.79, Wolfgang Hensel
- Köstliches aus dem Garten S.172, Marion Nickig, Heide Rau
- Kräuter S.105, Burkhard Bohne
- Wo der Pfeffer wächst S.62, Hansjörg Küster
- kraut&rüben, 1/2001, 12/2005
Geschichte und Geschichten
Wenn die Engelwurz sich versamen darf, dann macht sie das gründlich und manch einen unbedarften Gärtner überkommt im ersten Moment die Panik, wenn er sieht, was da keimt. Engelwurzsämlinge sehen dem Austrieb vom Lieblingsfeind (fast) aller Gärtner, dem Giersch, verblüffend ähnlich. Der erste Schreck ist hoffentlich vorbei ehe alles radikal herausgerissen wurde, denn schon am Duft sind die beiden Pflanzen leicht zu unterscheiden. Beide gehören der Familie der Doldenblütler (Apiaceae) an, der Wuchs unterscheidet sich aber deutlich. Die Engelwurz würde niemals Wurzelausläufer bilden, dafür wird sie wesentlich größer als der Giersch. Wie groß, das hängt vom Nährstoffangebot ab. Im ersten Jahr bildet sich eine grundständige Rosette, aus der die lang gestielten mehrfach geteilten Blätter hervorwachsen. Bei gutem Nahrungsangebot kann sie durchaus einen Quadratmeter Platz beanspruchen. Erreicht sie bis zum Herbst eine solche Größe, wird ihr Leben nicht länger als zwei Jahre dauern. Sie lagert die Nahrung des Sommers in ihren Wurzeln ein und zieht sich über Winter von der Oberfläche zurück. Der Austrieb des zweiten Jahres ist nicht mehr mit Giersch zu verwechseln, was sich jetzt aus dem Boden schiebt ist von Anfang an wesentlich mächtiger. Nach dem Blattaustrieb schiebt sich im Juni aus der Mitte der Rosette der Blütenschaft empor, kann unter guten Bedingungen mehr als mannshoch werden und so dick, dass er mit einer Hand kaum noch zu umspannen ist. Das besondere an der Engelwurz sind ihre fast perfekt kugelförmigen Doppeldolden. Die Blüten selbst sind unspektakulär, meist grünlich, die Doldenform aber ist einfach großartig. Neben der Hauptdolde bilden sich etliche kleinere, im unteren Stängelbereich entstehen Seitentriebe, die ebenfalls in Dolden enden. Käfer und Fliegen zählen zu den Bestäubern der imposanten Pflanze, sitzen an sonnigen Tagen in großer Zahl am offen dargebotenen Nektar. Nach erfolgreicher Bestäubung entstehen rundliche Samen, die von einer dünnen abgeflachten Haut umgeben sind. Sie ermöglicht eine begrenzte Flugfähigkeit zur Verbreitung der Pflanze. Der Wind schüttelt die reifen Samen aus ihrer Verankerung, die meisten landen unweit der Mutterpflanze. Die hat somit ihren Zweck erfüllt und stirbt ab. Die Blätter vergilben, der Blütenschaft vertrocknet. Ohne Blattwerk wird seine Struktur sichtbar, die Stabilität gebende Riffelung, die Knoten mit ihren Verzweigungen und die filigranen Reste der Dolden. Solange die Wurzel noch genug Halt gibt, kann die Pflanze bis in den Winter hinein einen sehr attraktiven Blickfang bieten. Da die Samen der Engelwurz, wie die vieler anderer Doldenblütler auch, nur eine begrenzte Lebensdauer haben, müssen sie schnell ausgesät werden. Der beste Standort ist immer der, an dem der Same von alleine keimt. Wenn dort also genügend Platz vorhanden ist und nicht auf allzu strenge Ordnung geachtet wird, werden im folgenden Frühjahr viele kleine Engelwurzen erscheinen. Solange sie jung sind, lassen sie sich problemlos verpflanzen,vertragen Sonne ebenso gut wie Halbschatten, solange der Boden nährstoffreich und halbwegs feucht ist. In freier Natur wird die Pflanze immer seltener, sie bevorzugt feuchte Wiesen in eher kühleren Lagen. Werden diese zu häufig oder zum falschen Zeitpunkt gemäht so geht im Laufe der Jahre der Bestand verloren. Wurzel oder Stängel sollten daher auch nicht aus Wildsammlung stammen, wenn sie verarbeitet werden sollen. Die Engelwurz stammt aus nördlichen Gegenden, älteste Berichte stammen aus Grönland, Island und Skandinavien. Ab dem späten Mittelalter wurde die Pflanze in Mitteleuropa kultiviert. Der Legende nach brachte ein Erzengel das heilkräftige Kraut zu einem frommen Einsiedler um ihn vor der Pest zu schützen. Das wäre eine Erklärung des Namens, möglicherweise leitet er sich aber auch von der ungeheueren Wuchskraft ab, der die Pflanze zum Erzengel unter den Kräutern machte. Die Klöster nahmen sich der Pflanze an, ihre Heilwirkung wurde in verschiedenen Rezepturen beschrieben. So wirkt ein Tee aus der getrockneten Wurzel vor den Mahlzeiten getrunken Appetit anregend und auch Bronchialleiden lassen sich positiv beeinflussen. Äußerlich wirken Bäder und Einreibungen schmerzstillend bei Rheuma und Muskelschmerzen.Empfindliche Menschen können allerdings mit Hautreizungen auf die frische Pflanze reagieren, denn wie viele andere Doldenblütler auch enthält sie Furocumarine, die fototoxisch wirken.