Roter Fingerhut (Digitalis purpurea)

Aus Pflanzenwiki

Weitere Namen

Roter Fingerhut, Austrieb (31.3.)
Roter Fingerhut, Blüte (24.5.)
Roter Fingerhut, Samenkapseln (7.7.)

Fingerkraut, Fuchskraut, Liebfrauenhandschuh, Waldglöckchen

Botanischer Name

»Digitalis« mlat. digitale - Fingerhut als Werkzeug des Schneiders, »purpurea« purpurrot

Englischer Name

Foxglove

Familie

Rachenblütler, Scrophulariaceae

Verbreitung

West- und Mitteleuropa

Wuchs

zweijährig bis kurzlebige Staude, weich behaarte längliche Rosettenblätter bis 20cm hoch, Blütenstand einseitwendig bis 180cm hoch

Standort

sonnig bis halbschattig, nahrhafter, leicht saurer Boden

Blütezeit

Juni, Juli, August, (September)

Blüte

einseitwendige Traube mit bis zu 200 4-5cm langen bauchigen Glocken in rosa (selten weißen) Farbtönen, Unterlippe in die Röhre hineinführend mit kreisförmigen Mustern markiert, 5 zu einer Röhre verwachsene Kronblätter, vormännlich

Fruchtreife

September, Oktober

Frucht

aufrecht stehende Spaltkapsel, Samen sehr klein, hellbraun, werden durch Wind und Tiere verbreitet

Vermehrung

durch Aussaat, häufig Selbstaussaat

Frosthärte

Rosette grün überwinternd

Tierische Besucher

Bestäubung durch Hummeln die beim Eindringen in die Blüte oberseits mit Pollen bepudert werden

Pflege

kaum Pflege nötig, nach dem Entfernen des Blütenstandes vor der Samenreife blüht die Pflanze meist auch im dritten Jahr

Verwendbare Teile

Blätter herzwirksam, keine Selbstmedikation, da sehr giftig

Inhaltsstoffe

Glycoside (Digitoxin, Digoxin, Gitoxin), Saponine

Status

anwesend

Literatur

  • A Contemplation upon Flowers S.147, Bobby J. Ward (1999)
  • Blattrosetten S.39, Raimund Fischer (1997)
  • Blumen und Kräuter, Geheimnisvolle Namen... S.70, Ulrich Völkel (2010)
  • Das Summen in der Wiese S.216, Dave Goulson (2014)
  • Die Kräuter in meinem Garten S.179, Siegrid Hirsch, Felix Grünberger (2008)
  • Dumonts große Kräuter-Enzyklopädie S.273, Deni Bown (1996)
  • Giftpflanzen Pflanzengifte S.307, Roth, Daunderer, Kormann (1994)
  • Großes Kräuter- und Gewürzbuch S.112, Heinz Görz (1987)
  • Hagebutte & Co. S. 120, Angelika Lüttig, Juliane Kasten (2003)
  • Kräuter S.204, Burkhard Bohne (2010)
  • New Kreüterbuch Cap.CCCXLV, Leonhart Fuchs (1543)
  • Schön aber gefährlich S.86, Helga Urban, Marion Nickig (2009)
  • Sechzig einheimische Wildpflanzen... S.110, Detlev Arens (1991)
  • The Morville Year S.74, Katherine Swift (2011)
  • Tod und Flora S.59, Helmut Eisendle (2009)
  • Was die Kräuterhexen sagen S.24, Maureen und Bridget Boland (1983)
  • Wildblumen im Hausgarten S.87, John Stevens (1987)
  • Wildpflanzen für jeden Garten S.137, Reinhard Witt (1994)
  • Zwiebel, Safran, Fingerhut S.64, Bill Laws (2012)
  • kraut&rüben 4/2004

Geschichte und Geschichten

Bereits aus dem 5. Jahrhundert stammen gesicherte Hinweise, dass der Fingerhut in Irland als Heilpflanze genutzt wurde. Im Mittelalter verschwand die Pflanze vorübergehend aus der Heilkunde. So schreibt Leonhart Fuchs in seinem Kreüterbuch: "Ist in summa ein schön lustig kraut anzusehen, habs derhalben nit künden übergeen, unangesehen das es noch in keinem brauch ist bey den ärtzeten, so vil und mir bewüßt." Erst im 18. Jahrhundert tauchte der Fingerhut wieder auf, als sein hoher Gehalt an herzwirksamen Glycosiden entdeckt wurde. Natürliche Standorte des Fingerhutes sind Waldränder und Lichtungen. Entstehen größere Brachen durch Holzeinschlag oder Windbruch, so füllen sich diese erstaunlich schnell, als hätten die Samen nur darauf gewartet, ans Licht zu kommen. Im ersten Jahr ist der Boden überzogen von den weichen Blättern der jungen Rosetten, die teilweise zu stattlicher Größe heran wachsen. Sie überwintern im Allgemeinen grün, die äußeren Blätter frieren zurück. Im zweiten Jahr entwickelt sich der Blütenstand, unter günstigen Bedingungen wird er bis zu zwei Meter hoch. Einseitwendig sitzen die Blüten an dem Stängel, der häufig etwas in sich gedreht ist, und am unteren Ende einen Durchmesser von gut vier Zentimetern haben kann. Die Blüten öffnen sich von unten nach oben und sind vormännlich. Das heißt, dass zunächst die Staubgefäße reifen und erst später die weiblichen Organe. Hummeln als Hauptbestäuber arbeiten sich gewöhnlich von unten nach oben durch den Blütenstand, streifen also den von einer anderen Pflanze mitgebrachten Pollen an den unteren (weiblichen) Blüten ab und nehmen frischen Pollen von den oberen (männlichen) Blüten mit. Die Blütezeit zieht sich von Anfang Juni bis in den September, wo im unteren Bereich die Samen schon ausreifen, während sich oben immer noch Blüten öffnen, die allerdings, bei sinkendem Sonnenstand, kleiner und blasser in der Farbe werden. Die rundlichen Samenkapseln haben an der Oberseite eine Naht, an der sie irgendwann aufplatzen. Sie sind angefüllt mit kleinen hellbraunen Samen, die herausgeschleudert werden, wenn der Wind kräftig genug weht oder Tiere im Vorbeilaufen an der Pflanze rütteln. Die Samen überdauern im Boden, bis die Umstände zum Keimen günstig sind. Wenn auf der Brache die Gräser langsam die Überhand gewinnen und junge Bäume nachwachsen, verschwindet die Farbenpracht wieder.